Hardangervidda West im Herbst: Vom Schnee in den Farbenrausch und wieder zurück
Manchmal sieht man Bilder, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen. Mir ging das so mit Herbstbildern aus Norwegen. Diese Farben! Gelbtöne, Rottöne, Brauntöne, grün und grün-grau, daneben das Blau der Gewässer und der Blaubeeren! Das, dachte ich mir, muss ich mal live sehen. Der Plan, die Hardangervidda noch einmal zu durchwandern stand sowieso schon länger, es lag also nahe es im Herbst zu versuchen. Mein Plan ist zu hundert Prozent aufgegangen, es war wunder-, wunderschön.
Es wäre schneetechnisch ein wenig schlauer gewesen, die Route anders auszuwählen als ich es getan habe – nämlich die höher gelegenen Gegenden zu meiden und im Osten der Hardangervidda zu beginnen. Das kam für mich nicht in Frage, denn ich wollte endlich die Trolltunga sehen, und diese liegt nun mal im Südwesten der Hardangervidda. Für diesen Plan eignete sich die Jahreszeit übrigens insofern hervorragend, als dass außer uns nur wenige Touristen unterwegs waren. Ab der Trolltunga, wo alle anderen umdrehen und zurück ins Tal gehen, waren wir für zwei Tage komplett allein, bis wir auf der Torehytten wieder zwei Leute trafen. Im Herbst erlebt man die Hardangervidda noch einsamer und noch intensiver, als in der Hauptsaison. Und das will was heißen! Für mich steht nach dieser Tour fest: sollte ich noch einmal eine Tour dort planen, dann auf jeden Fall wieder im Herbst. Dann erwarten mich weniger Leute, weniger Mücken, mehr einsame Natur und vor allem mehr Farben!
Ich möchte euch hier ein wenig von meiner Route erzählen, und zeigen warum ich die Wanderung im Herbst viel schöner fand als im Sommer. Solltest du auf der Suche nach allgemeinen Informationen zu einer Hüttenwanderung in der Hardangervidda sein, wirst du wahrscheinlich hier fündig. Dort habe ich auch das Für und Wider einer Tour im Herbst ausführlich beschrieben.
Inhaltsverzeichnis
MEINE ROUTE UND EIN ALTERNATIVVORSCHLAG
Mein Startpunkt war Odda. Von dort mit dem Shuttle nach Skjeggedal (Trolltunga Active), dann losmarschiert zur Trolltunga und weiter. Die Hütten waren folgende:
Tyssevassbu – Torehytten – Hadlaskard – Liseth Camping – Kjeldebu – [Rembesdalseter – Finsehytta]
Ich hatte die Route auf 7 Tage geplant, wobei man, falls ein Puffertag gebraucht wird, von Kjeldebu direkt zur Finsehytta weiter gehen kann. Dazu muss man nur im Osten um den Hardangerjøkulen herumgehen, statt westlich. Abbrechen kann man die Tour am leichtesten in Liseth, weil dort direkt ein Bus vorbeifährt. Von Kjeldebu und Hadlaskard kann man innerhalb einer Tagesetappe absteigen. Von Tyssevassbu und Rembesdalseter braucht es eine Tagesetappe plus Taxi ins Tal. Aus dieser Perspektive ist die Tour auf jeden Fall für den Herbst geeignet, denn bei Schneesturm oder größeren Mengen an Schnee kann es durchaus vorkommen, dass du die Tour abbrechen musst.
Die Route eignet sich aber eigentlich am besten für den Sommer. Dann dürfte an der Trolltunga zwar viel los sein, aber dafür sind – außer mit viel Pech – keine größeren Schneemengen zu erwarten. Wer die Trolltunga und die berühmte Bergenbahn nicht in seine Wanderung einbauen will, der ist am besten beraten, wenn er sich für den Herbst eine Route sucht, die vom Osten über Sandhaug und Hadlaskard bis Liseth oder Dyranut verläuft. Bitte achte darauf, dass die Hütte namens Langavasshallet dauerhaft geschlossen ist – das steht zwar auf der Karte, wird aber leicht übersehen.
SCHWIERIGKEITEN DIE AUF DIESER ROUTE AUF JEDEN FALL AUF DICH ZUKOMMEN
Mehr oder weniger große Sprünge über Bäche und Flüsse, Durchquerung von Sumpfgebieten, Furten bis Mitte Oberschenkelhöhe (ohne Strömung), Überquerung von Gewässern auf Hängebrücken oder schmalen Holzbrettern, Gehzeiten von bis zu 11h, Regen und / oder Schnee, oft gepaart mit Wind / Sturm, außerdem evtl. Altschneefelder vom letzten Winter.
AN- UND ABREISE
Hinkommen: Flug nach Oslo, mit dem Haukeliekspressen (NW180) nach Seljestad und weiter nach Odda. Per Shuttle-Taxi zum Einstiegspunkt der Trolltunga Wanderung. Ich habe in einer Hütte auf dem Campingplatz „Odda Camping“ übernachtet, wo mich das Shuttle auch in der Nebensaison noch abgeholt hat. Falls das Shuttle nicht mehr fährt muss man sich ein Taxi nehmen.
Zurückkommen: Mit der Bergenbahn von Finse nach Oslo (NSB Bergen – Oslo). Wer in Liseth oder Dyranut abbricht, fährt mit dem Bus (SKYSS Nr. 991) nach Geilo und von dort mit derselben Bahn nach Oslo.
Es ist genauso möglich nach Bergen zu fliegen und von dort mit dem Bus nach Odda zu fahren, und mit der Bergenbahn von Finse nach Bergen zurück.
EINE KURZE BESCHREIBUNG DER EINZELNEN ETAPPEN
Die angegebenen Zeiten sind knapp bemessene, reine Gehzeiten, so wie sie in der Karte (nordeca Hardangervidda West) stehen.
Tag 1: Skjeggedal – Tyssevassbu
ca. 20 km, 1211 hm, 9,5h
Die erste Stunde verläuft der Weg auf einer Forststraße (ca. 400hm), diese könnte man per Taxi abkürzen. Dann geht es noch ein Weilchen bergauf, bevor der Weg hauptsächlich schräg am Berg entlangführt. Der Weg ist Dank tausender Touristen gut sichtbar und super beschildert. Ab der Trolltunga ist man dann auf einmal ganz allein. Der Weg ist anfangs nicht leicht zu finden, ein GPS zahlt sich aus! Dann geht es auch schon los mit Flussüberquerungen ohne Brücke und das Abenteuer kann beginnen. ACHTUNG, der Teil der Hochebene den man an Tag 1 und 2 passiert ist relativ hoch gelegen. Im Sommer gut (weniger Mücken), im Herbst kann hier Schnee liegen und die Wegfindung extrem erschweren, sowie die Gehzeit mehr als verdoppeln!
Tag 2: Tyssevassbu – Torehytten
ca. 18,8 km, 423 hm, 7h
Heute geht es in die Grenzen des Nationalparks. Der Weg von Tyssevassbu zur Torehytten liegt am Anfang noch sehr hoch, in der Mitte tiefer und steigt zum Schluss noch mal auf ca. 1400m an. Zwei Flüsse müssen per Pedes durchquert werden, einer davon ist sehr breit und ziemlich tief (Mitte Oberschenkel). Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt sollte man hart im Nehmen sein…
Tag 3: Torehytten – Hadlaskard
ca. 11 km, 55 hm, 4h
Dieser Tag ist gemütlich und eignet sich zur Erholung. Es gibt nur eine Furt und der Weg führt größtenteils sanft nach unten in ein wunderschönes, breites Tal. Wer lieber schon ein wenig Strecke vom nächsten Tag mit geht, kann bis nach Hedlo (oder Vivelid) weiterlaufen. Allerdings sind das vollbewirtschaftete Hütten, die evtl. im Herbst schon geschlossen haben. Außerdem ist Hadlaskard eine wirklich sehr gemütliche Hütte in einer wunderschönen Lage, inmitten eines Sumpfgebietes.
Tag 4: Hadlaskard – Liseth Camping
ca. 25km, 726 hm, 7,5-8h (abzukürzen per Taxi, dann nur 17,5 km, 315 hm, 5h)
Von Hadlaskard geht es dem Tal folgend weiter Richtung Hedlo. Der Weg führt lange Zeit an einem großen Fluss entlang, wobei man stetig absteigt und die Büsche immer größer werden, sodass man in Hedlo schon durch niedrige Birkenwälder läuft. Kurz nach Hedlo kann man direkt nach Liseth abzweigen. Wer lieber abkürzt läuft über Vivelid zum Wanderparkplatz, wo man sich ein Taxi rufen kann, das einen dann für ca. 70€ nach Liseth bringt. Der Handyempfang ist ohne Probleme möglich. In Liseth gibt es mehrere Möglichkeiten zu übernachten, in den Cabins am Campingplatz ist es sehr gemütlich, und dort geht auch der Weg am nächsten Tag los.
Tag 5: Liseth Camping – Kjeldebu
ca. 17,2 km, 651 hm, 5,5h
Hier geht es erst durch Sumpfgebiet, dann relativ steil bergauf. Hier kann man zum Teil schon die Ausläufer des riesigen Gletschers Hardangerjøkulen in der Ferne sehen. Später geht’s eher entlang, bis man zu einem riesigen Stausee absteigt, ab dem es nochmal eine gute Stunde leicht bergauf zur Kjeldebu Hütte geht. Aufgrund von starkem Wind und Schnee musste ich meine Wanderung am nächsten Tag abbrechen – das heißt für mich hieß es absteigen nach Dyranut, wo es eine kleine bezahlbare Unterkunft an der Straße (E7) gibt. Am nächsten Tag war alles weiß, und ich war froh bei dem Schnee nicht nach Rembesdalseter gegangen zu sein!
[Tag 6: Kjeldebu – Rembesdalseter]
ca. 21,8 km, 513 hm, 8,5h
Dieser Tag ist ein kleiner Umweg. Wer keine Lust mehr hat oder irgendwann unterwegs einen Pausentag einlegen musste kann von Kjeldebu aus direkt nach Finse gehen. Im Herbst 2018 war ein Teil des Weges aufgrund einer vorangegangenen Flut zerstört worden, weshalb sich der Weg von Kjeldebu nach Rembesdalseter um ca. 1-2 Stunden verlängert. Wer diese Route gehen möchte sollte sich vorher beim DNT (Zweigstellen gibt es unter anderem eine in Bergen und zwei in Oslo) informieren.
[Tag 7: Rembesdalseter – Finsehytta]
ca. 21,6 km, 591 hm, 8h
Zum Thema Ausrüstung, Sicherheit, Wetter und Übernachtungsmöglichkeiten liest du dir am besten meinen ausführlichen Artikel über Hüttenwanderungen in der Hardangervidda generell durch. Hast du noch weitere Fragen oder warst du selbst schon mal in der Hardangervidda und hast noch mehr Tipps? Dann schreibe mir gern eine Nachricht über die Kommentarfunktion!