Knieschmerzen beim Wandern: mögliche Ursachen und Lösungen

Knieschmerzen beim Wandern: mögliche Ursachen und Lösungen

7. April 2019 15 Von Apollonia

Viele Bergsteiger und Wanderer haben Knieprobleme, die meisten bekommen sie beim Bergabgehen. Ist dann Abwärtsgehen schlecht für die Knie, beziehungsweise ist das Abwärtsgehen die Ursache für die Schmerzen? Das hört man zumindest oft, und so fühlt es sich auch an, denn die Schmerzen kommen ja erst am Ende der Tour, also beim Bergabgehen. Natürlich macht Abwärtsgehen alleine die Knie nicht kaputt, und auch die Schmerzen können nicht nur vom Bergabgehen alleine kommen. Folgende Ursache für die Knieschmerzen ist viel wahrscheinlicher: eine Kombination aus falscher Technik, Ermüdung und dann bergab gehen.

Dies ist natürlich auf keinen Fall die einzig mögliche Ursache von Knieproblemen. Es ist aber eine sehr weit verbreitete. Deshalb widme ich den beiden Faktoren – Technik und Ermüdung – einen kleinen Blogartikel. Die Erklärungen sind zwar stark vereinfacht, reichen aber meines Erachtens aus, um die Grundproblematik zu verstehen, und Gegenmaßnahmen zu ergreifen, die die Knieprobleme deutlich verbessern dürften. In diesem Artikel geht es um Schmerzen in und um die Kniegelenke, die nach ein paar Stunden bis Tagen Ruhe wieder verschwunden sind, also um Reizungen durch falsche Belastung – nicht um längerfristige Schmerzen und Verletzungen.

Ich möchte mit diesem Artikel ein wenig Hintergrundwissen vermitteln, und freue mich, wenn ich dir damit zu einem schöneren Bergerlebnis und besserer Gesundheit verhelfen kann. Allerdings ist dieser Artikel nicht dazu gedacht, den Rat eines Arztes oder Physiotherapeuten zu ersetzen, und sollte auch nicht als solcher genutzt werden.

Ermüdung

Normalerweise gehen wir als erstes bergauf, und am Ende der Tour bergab, deshalb sind wir beim hochgehen noch fit. Die Muskeln haben noch genug Kraft, um uns mit jedem Schritt ein Stück höher in Richtung Gipfel zu stemmen. Einen Großteil dieser Muskelarbeit SOLLTEN die Hüftstrecker machen. Das sind große Muskeln im Po und an der Oberschenkelrückseite, die das Bein in Relation zum Becken nach hinten drücken. Sollten habe ich in Großbuchstaben geschrieben, denn viele Leute verwenden beim bergauf gehen die falsche Technik, wodurch nicht mehr die Hüftstrecker die meiste Arbeit verrichten. Statt der Hüftstrecker arbeitet bei vielen Wanderern hauptsächlich der vordere Oberschenkelmuskel (Quadrizeps). Dieser ermüdet nun schon auf dem Weg zum Gipfel ein wenig, und wenn wir uns dann auf den Rückweg machen, und er weiter arbeiten soll, fängt er eben schon halb ermüdet an.

Beim Bergabgehen muss der Quadrizeps den Schwung, der durch die Schwerkraft entsteht abbremsen. Das Abbremsen (Exzentrik) ist für unsere Muskulatur viel schwieriger, als Kraft zum Hochstemmen (Konzentrik) aufzubringen. Deswegen geht das mit der Ermüdung beim Abwärtsgehen noch viel schneller.

Das heißt wir befinden uns in einer ungünstigen Situation: Beim Bergabgehen muss der Quadrizeps schwer arbeiten, er ist aber schon müde vom Bergaufgehen, weil wir da die falsche Technik verwendet haben.

Was passiert also beim letzten Teil unserer Bergtour – dem Abwärtsgehen?

  • Der Quadrizeps kann seinen Job nicht mehr zu 100% verrichten, weil er ermüdet ist.
  • Den Rest der Abbremsarbeit muss jemand anders machen – und da bleibt nur das Kniegelenk mit seinen Bändern, der Kapsel und dem Bindegewebe, das den Stoß passiv abfängt. Es können auch Sehnen, wie der Tractus Iliotibialis in Mitleidenschaft gezogen werden, die dann zu einem typischen Läuferknie führen.
  • Außerdem verspannt sich oft der Quadrizeps, weil er überfordert ist. Und weil die Kniescheibe in den sehnigen Teil des Quadrizeps eingelassen ist, und vom Muskel in ihrer Bahn gehalten wird, haben wir eine negative Auswirkung auf selbige: Sie wird von unserem verspannten Muskel zu fest in ihr Gleitlager gedrückt. Das belastet den Knorpel hinter der Kniescheibe (den retropatellaren Knorpel), welcher auf Dauer gereizt wird und schmerzt.

Zusammenfassend kann man zu den Ursachen von Knieschmerzen beim Wandern also sagen: Was unser ermüdeter Quadrizeps beim Abwärtsgehen nicht mehr leisten kann, muss das Kniegelenk mit all seinen Strukturen abfangen, und das führt zu Schmerz. Das Kniegelenk ist nämlich nicht dazu gedacht solchen Stöße auf Dauer entgegensetzen zu können. Bänder, Kapsel in Bindegewebe sind eigentlich nur eine Art Sicherheitsgurt für den Notfall. Außerdem schädigen wir den retropatellaren Knorpel, durch zu hohen Anpressdruck, was zu Reizungen und Schmerzen führt.

Wie sieht diese Technik aus?

Und viel wichtiger, wie geht es richtig? Zur Erinnerung: wir wollen, dass auf dem Weg zum Gipfel unsere Pomuskulatur und die Rückseite des Oberschenkels arbeitet, denn das sind große Muskeln, mit guten Hebelwirkungen.

Beim Bergaufgehen sollte das Knie, sofern irgend möglich, über dem Fuß bleiben. Denn wenn man das Knie weit nach vorne über die Fußspitze schiebt, muss der Quadrizeps mehr arbeiten, die Hüftstrecker (Teil der Pomuskulatur und auch hinterer Oberschenkel) haben eine schlechtere Ausgangsposition und können dadurch weniger mithelfen. Die sollen aber wie gesagt viel mitarbeiten, weil sie eigentlich große und starke Muskeln sind, die für diese Aufgabe gerüstet sind. Der Quadrizeps presst bei zu hoher Anstrengung und Überforderung die Kniescheibe ins Gleitlager, die Hüftstrecker haben diesen Nachteil nicht.

Eine zweite Technikangelegenheit beim Bergaufgehen ist folgende: Das Knie darf beim Hochstemmen keinesfalls nach innen (Richtung Körpermitte) knicken. Nicht ein bisschen, und auch nicht ein bisschen nach drei Stunden, einfach niemals. Denn wenn es das tut, nimmt das Kniegelenk den Muskeln die Arbeit ab, schädigt aber seine Strukturen dadurch. Eine gesunde Belastung kann nur bei intakter Beinachse stattfinden.

Beim Abwärtsgehen bitte außerdem nicht ins Kniegelenk fallen lassen. Das heißt, wichtig ist, dass die Muskulatur den Schwung, der beim Abwärtsgehen entsteht, abbremst. Ob man das langsam und vorsichtig, oder aber dynamisch laufend macht, darüber kann man sich streiten. Wichtig ist nur, dass nicht die Bänder usw. herhalten müssen.

Und jetzt?

Nachdem du diesen Mechanismus jetzt verstanden hast, solltest du zuerst einmal überprüfen, ob deine Technik beim Wandern (und übrigens auch beim Treppensteigen, da gilt das nämlich genauso) stimmt. Dann kannst du an folgenden Stellschrauben drehen:

  • Die Länge der Tour anpassen
  • Erholungspausen beim Abwärtsgehen machen
  • Wanderstöcke nutzen, um ein wenig Belastung auf die Arme umzulegen
  • Gewicht von Rucksack, Schuhen und eigener Person senken
  • Und natürlich funktionell trainieren, das heißt besagte Hüftstrecker und auch den Quadrizeps auf ihre Aufgabe vorbereiten. Ein guter Start ist zum Beispiel diese Abfolge an Übungen: Sonnengrüße für Bergsteiger und Büromenschen. Gleichzeitig solltest du mit der Arbeit an deiner Beinachse beginnen.

Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe ich konnte dem ein oder anderen mit diesem Text ein wenig helfen. Wenn du noch Fragen hast, oder Anmerkungen, freue ich mich wie immer über einen Kommentar!